»Negative Gefühle gehören zum Leben«

Resilienz und Achtsamkeit sind die psychologischen Schlagworte der Zeit. Tanja Michael findet das oft zu kurz gedacht. Im Interview erklärt die Psychologin und Traumaforscherin, wie man die Psyche für Krisen, Stress und Veränderungen stärkt – und wie man Mitgefühl mit sich selbst entwickelt.

Foto: Marivi Pazos / Unsplash

SZ-Magazin: Frau Michael, in Ihrem Buch 55 Fragen an die Seele schreiben Sie: »Wer biegsam ist, zerbricht nicht.« Psychische Flexibilität sei der beste Weg, die Seele zu schützen. Ist das ein neuer Begriff für den alten Rat, immer positiv zu denken?
Tanja Michael:
Immer positiv zu denken funktioniert sowieso nicht. Das ist ein Märchen unserer Zeit und geht völlig an der Lebensrealität vorbei.

Warum?
Menschen sind dafür schlicht nicht gemacht. Wir haben viele Gefühle, auf sieben Basisemotionen hat sich die Psychologie geeinigt: Ekel, Freude, Furcht, Traurigkeit, Überraschung, Verachtung und Wut. Fast alle sind negativ, und zwar, weil sie wichtig zum Überleben sind. Dass man sich vor etwas ekelt oder Angst hat, gibt uns wichtige Handlungsanweisungen. Negative Gefühle gehören zum Leben. Es gibt keine Menschen, die immer glücklich sind.