Ist es radikal, Pflegekräften das Gehalt zu verdoppeln?

Verdient hätten sie es natürlich – und zwar nicht erst, seit Pandemie ist. Doch ist mehr Geld wirklich das Allheilmittel? Oder müsste nicht vielmehr eine grundlegende Neubewertung der Pflegeberufe stattfinden, nach der Pflegekräfte nicht nur finanziell, sondern auch gesamtgesellschaftlich besser dastehen?

Foto: Paula Winkler

In Deutschland arbeiten seit Jahren zu wenige Fachkräfte in den Pflegeberufen. Sie fehlen auf Kinderkrebsstationen, die junge Patient*innen abweisen müssen, in Heimen für Senior*innen oder Menschen mit Behinderungen, sie fehlen auf Intensivstationen, die akut kranke Menschen versorgen. Zum Beispiel Menschen, die gerade lebensgefährlich an Covid-19 erkranken. Überall fehlen Pflegefachkräfte, und sie arbeiten in Deutschland schon jetzt am Limit. Im europäischen Vergleich versorgen examinierte Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern deutlich mehr Patient*innen als in anderen Ländern: 13 Menschen pro »Registered Nurse« sind es hierzulande, während es beispielsweise in England 8,6 Personen sind und sieben in Norwegen. Zwar gibt es mittlerweile Personaluntergrenzen in der Pflege für ausgewählte medizinische Abteilungen wie die Intensivmedizin, doch diese führen zu neuen Verteilungsproblemen des Personals und stehen lediglich für eine Mindestversorgung, nicht für eine optimale. Das Bundesgesundheitsministerium hatte die Untergrenzen im Frühjahr sogar ausgesetzt, um Stationen trotz Unterbesetzung offenzuhalten. Nun sollen die dünn besetzten Teams außerdem länger arbeiten: Anfang November hat die Landesregierung Niedersachsen die Höchstarbeitszeit für Beschäftigte in der Pflege auf bis zu 60 Stunden pro Woche erhöht.

Die Überlastung der Pflegefachkräfte gefährdet nicht nur Patient*innen, sie verschärft darüber hinaus den so genannten Pflegenotstand. Die Arbeitsbedingungen führen dazu, dass immer wieder Pfleger*innen ihren Beruf ganz aufgeben und einen neuen Berufsweg einschlagen. Sie wählen Teilzeit nicht als Vereinbarkeitsmodell, sondern um die eigene Gesundheit zu schützen. Sie gehen vorzeitig in den Ruhestand, weil sie nicht mehr können. Die Nachwuchsgewinnung funktioniert schleppend. Im Ausland angeworbene Fachkräfte ziehen in andere Länder mit besseren Arbeitsbedingungen weiter. Zudem herrscht fast überall ein Mangel an Pflegefachkräften. Andere Länder werden nicht beliebig viel Nachschub liefern, daher sind Anwerbeversuche im Ausland nicht der Weg aus der Mangelversorgung.

Die Pandemie über würden sie noch durchhalten, heißt es aus den Pflegeberufen, doch danach werde es zu einem verstärkten »Pflexit« kommen. Denn obwohl die Covid-19-Pandemie schon viele Monate dauert, zeichnet sich nicht ab, dass von Seiten der Gesundheitspolitik die Situation in der Pflege grundlegend verändert werden soll – zum Wohle der Pfleger*innen und der Menschen, die sie versorgen. Martina Hasseler, Professorin für Klinische Pflege an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, die vor ihrer wissenschaftlichen Karriere selbst eine Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert und als solche gearbeitet hat, sagt heute, sie könne niemandem den Berufseinstieg empfehlen. Insbesondere diejenigen, die gerade eine akademische Pflegeausbildung anstrebten, würden unter den jetzigen Arbeitsbedingungen nicht langfristig in der Patient*innenversorgung arbeiten. Selbst dann nicht, wenn sich die Verdienstmöglichkeiten verbessern würden. Pflegefachkräfte wünschen sich über die finanzielle Wertschätzung hinaus andere Arbeitszeitmodelle, berufliche Entwicklungsmöglichkeiten wie Fachkarrieren, mehr Selbstständigkeit und Mitsprache.

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In der öffentlichen Debatte darüber, wie man die Pflegefachberufe für Berufseinsteiger*innen attraktiv machen könnte, dominiert jedoch die Gehaltsfrage. Für die Arbeit in der Pandemie werden Zulagen und Prämien versprochen, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe fordert ein Einstiegsgehalt von 4000 Euro brutto für Pflegefachpersonen mit Examen und damit deutlich mehr, als diese bislang erhalten. In den Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes wurde Ende Oktober eine Lohnerhöhung von bis zu 8,7 Prozent erreicht, die jedoch nur das Drittel der Angestellten in Pflegeberufen der Krankenhäuser erreicht, die von kommunalen Trägern bezahlt werden. In den Pflegeheimen sind es sogar nur rund vier Prozent. Die anderen arbeiten für privatwirtschaftliche Unternehmen, kirchliche Krankenhäuser oder Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände, die nicht Teil dieser Tarifrunde gewesen sind. Für die Altenpflege streben Verdi und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche bis 2021 einen flächendeckenden Tarifvertrag an, der unter anderem eine stufenweise Erhöhung der Mindestlöhne regeln soll, doch die kirchlichen sowie die privaten Träger müssen noch überzeugt werden. Letztere haben eine Verfassungsklage angekündigt. Unter dem angestrebten Flächentarifvertrag würden Pflegefachkräfte mit Examen in der Altenpflege dann 3137 Euro brutto im Monat verdienen. Laut der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände werden Intensivpflegekräfte in Krankenhäusern mit der neuen Tarifeinigung bald rund 3900 Euro brutto bekommen. Pflegehelfer*innen verdienen laut Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit im Schnitt 2100 Euro brutto.

Doch welche Löhne sind fair? Barbara Thiessen, Professorin der Fakultät für Soziale Arbeit an der Hochschule Landshut, hält es für den falschen Weg, pauschal höhere Gehälter für die sogenannten SAHGE-Berufe zu fordern, die die Bereiche Soziale Arbeit, haushaltnahe Dienstleistungen, Gesundheit/Pflege und Erziehung umfassen. »Es braucht eine ausdifferenzierte Arbeitsbewertung, sonst trivialisiert es die tatsächlichen Anforderungen«, meint sie. Für die öffentliche Debatte um professionelle Care-Tätigkeiten bedeutet das: mehr Sachlichkeit und Systematik. Denn die grundsätzliche Solidarität mit Pflegefachkräften übersetzt sich aktuell vor allem in die gefühlige Haltung, dass die Menschen, die auf Intensivstationen Leben retten und alte oder kranke Menschen umsorgen, für diesen Einsatz mehr Geld verdient hätten, weil die Arbeit wichtig ist. Das ist sie, doch zu Recht wurde der Begriff »systemrelevante Berufe«, der in der Pandemie oft auftauchte, dafür kritisiert, dass eine Gesellschaft von vielfältigen Tätigkeiten zusammengehalten wird. Pfleger*innen und Ärzt*innen sind unverzichtbar, ja, aber eben auch viele weitere Professionen, die alle unsere hochkomplexe Gesellschaft am Laufen halten. Von einer empfundenen Wichtigkeit lässt sich also kein faires, vergleichbares Gehalt ableiten, da eine solche Relevanz von einer temporären Situation abhängt und von vielfältigen individuellen und kollektiven Perspektiven. Vielleicht macht es die Stilisierung zu Held*innen sogar für Pflegefachkräfte schwieriger, in ihren Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen ernster genommen zu werden, da Superheld*innen als unzerstörbar gelten und bewundert werden statt bezahlt.

Eine fundierte Arbeitsbewertung, wie Barbara Thiessen sie vorschlägt, ist hingegen der Versuch, eine Tätigkeit aus eher subjektiven Einschätzungen wie ihrem gesellschaftlichen Beitrag zu lösen und das in den Fokus zu nehmen, was Menschen in diesen Tätigkeiten können und leisten müssen. Das ermöglicht, Gehälter vergleichbar zu machen, weil sich zeigen lässt, warum eine Tätigkeit als anspruchsvoll beurteilt wird. Ähnlich wie bei einer persönlichen Gehaltsverhandlung, in der jemand den Vorgesetzten gegenüber klarmacht, welche neuen Kenntnisse in die Arbeit einfließen oder wo man zusätzliche Verantwortung für ein Projekt oder Kolleg*innen übernommen hat, brauchen unterschiedliche berufliche Tätigkeiten eine möglichst genaue Anforderungs- und Arbeitsbeschreibung, anhand derer Gehälter bemessen werden können. Der gesellschaftliche Knackpunkt ist, dass für Löhne, die als gerecht empfunden werden, diese Art von Arbeitsvergleich nicht nur innerhalb von Unternehmen und Organisationen stattfinden müsste, sondern übergreifend, um die Bezahlung von ganz unterschiedlichen Berufen ins Verhältnis setzen zu können.

Das kann man nicht vergleichen – so wird in der Regel auf die Frage geantwortet, warum eine Vorstandsreferentin in einem Unternehmen mehr verdient als eine Intensivpflegerin, ein Bauleiter mehr als ein Erzieher. Doch die Antwort darauf muss lauten, dass man Arbeit selbst dann vergleichen kann, wenn sie sich inhaltlich stark unterscheidet. Man kann sie vergleichen, wenn die eine Person einen Hochschulabschluss hat und die andere die Mittlere Reife. Man sollte sie sogar vergleichen können, wenn die Arbeit in einem gewinnorientierten Unternehmen oder in einer gemeinnützigen Organisation stattfindet. Eine möglichst objektive Arbeitsbewertung ist eine Strategie, die in einer Lohngerechtigkeit resultieren könnte, die sich deutlich mehr an Leistung orientiert als die Lohnstrukturen es bislang tun. Systematische Arbeitsbewertungen können zum Beispiel typische »Frauenberufe« und »Männerberufe« vergleichbar machen und dabei helfen, historisch gewachsene Lohnunterschiede in der Gegenwart auszugleichen. Dass ein Job leichter und weniger anspruchsvoll ist als ein anderer, ist häufig ein Vorurteil, das sich bei genauem Hinschauen auf die Erfordernisse einer Tätigkeit auflöst. Das haben nicht zuletzt in den vergangenen Monaten viele Eltern gemerkt, als sie ihre Kinder zuhause unterrichten oder ganztags betreuen mussten.

»Um Gesundheitsberufe hinsichtlich ihrer Bezahlung und ihres Rufes aufzuwerten, gilt politisch unter anderem die Akademisierung als Zaubertrickq

Um Anforderungen und Belastungen unterschiedlicher Berufe vergleichbar zu machen, haben die Wissenschaftlerinnen Ute Klammer, Christina Klenner und Sarah Lillemeier den »Comparable Worth Index« entwickelt, mit dem sie an das ABAKABA-Verfahren (Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten nach Katz und Baitsch) aus der Schweiz und die Aufwertungsdebatten der vergangenen 20 bis 30 Jahre anknüpfen wollen. Zentral für diese Arbeitsbewertungen ist, dass sie geschlechtsneutral erfolgen. Der Comparable-Worth-Index generiert eine Punktzahl für Anforderungen an das Wissen und Können eines Jobs, an psychosoziale sowie physische Anforderungen und Belastungen und schließlich Anforderungen an Verantwortung, und verknüpft diese dann mit Gehaltsstatistiken. Die Forscherinnen zeigten in der Studie »Comparable Worth – Arbeitsbewertungen als blinder Fleck in der Ursachenanalyse des Gender Pay Gaps?« unter anderem, »dass Frauen in allen Gruppen Verdienstnachteile im Vergleich zu Männern hinnehmen müssen und somit ihre jeweiligen Anforderungen und Belastungen im Beruf durchschnittlich geringer entlohnt werden als die der Männer«. Die Volkswirtin Christina Klenner beschrieb zudem die Ergebnisse zu Pflegeberufen in einem Interview als »krasser als erwartet«. Der CW-Index für »nicht akademische Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte« liegt mit 28 Punkten am oberen Ende der Skala, die bei 32 Punkten endet. Berufsgruppen, die ebenso 28 Punkte für Belastung und Anforderung erreichen, sind unter anderem Lehrkräfte im Sekundarbereich, Führungskräfte in der betrieblichen Verwaltung und Ingenieurswissenschaftler*innen.

Die medizinischen Fachkräfte in dieser Gruppe erhalten jedoch mit Abstand den geringsten Bruttostundenlohn, der in dieser Studie mit 15,64 Euro ermittelt wurde, während die anderen Berufsgruppen mehr als 20 bis hin zu 27,80 Euro pro Stunde erhalten. Darüber hinaus hat die Berufsgruppe der Pflegefachkräfte mit 87 Prozent den höchsten Frauenanteil, während er bei den Sekundarlehrkräften bei 64 Prozent liegt und bei den Ingenieur*innen bei 21 Prozent. Mit dem Comparable-Worth-Index lässt sich also empirisch zeigen, dass Pflegefachkräfte bezogen auf sowohl das Anforderungsniveau ihrer täglichen Arbeit als auch ihrer vorausgehenden Ausbildung unterdurchschnittlich bezahlt werden. Wenn man die Einstiegsgehälter von Lehrer*innen der Sekundarstufe betrachtet, passt die Forderung von 4000 Euro für den Pflege-Berufseinstieg des Berufsverbands für Pflegeberufe tatsächlich gut zu den empirischen Ergebnissen des Comparable-Worth-Indexes.

Die Diskussion um die Aufwertung der unterschiedlichen Care-Berufe muss die fachlichen und unmittelbaren beruflichen Anforderungen einbeziehen und auf mehr verweisen als »Systemrelevanz«, gerade weil der so genannte Pflegenotstand – das fehlende Personal – die Pandemie überdauern wird. In dem Moment, in dem diese Arbeit aus dem Fokus der Öffentlichkeit rückt, muss bei Tarifverhandlungen und bei Arbeitsbewertungen in Organisationen gut begründet werden können, warum und wie hoch eine Position bezahlt werden sollte. »Die Gewerkschaften wollen da nicht ran«, meint Barbara Thiessen, da systematische Arbeitsbewertungen zu deutlichen Lohnerhöhungen in »Frauenberufen« führen würden und sich daraus Verteilungsfragen über beispielsweise kommunale Budgets ergäben, vor denen sich Gewerkschaften mit mehr männlichen als weiblichen Mitgliedern scheuen würden.

Um Gesundheitsberufe hinsichtlich ihrer Bezahlung und ihres Rufes aufzuwerten, gilt politisch unter anderem die Akademisierung als Zaubertrick. Von Studiengängen für Pflegefachkräfte und Hebammen erhoffen sich Gesundheitspolitiker*innen ein steigendes Interesse an den Berufen und langfristig Effekte auf Gehälter. Doch höhere Gehälter für diese Gesundheitsberufe ließen sich bereits jetzt entlang etablierter Arbeitsbewertungsverfahren begründen. Eine Akademisierung wird zwar die Pflegeberufe weiter professionalisieren und kann die Stellung von Pflegefachkräften im Hierarchiegefüge von Krankenhäusern verbessern. Doch die Wahrnehmung der Pflegeberufe im öffentlichen Bewusstsein ist zunächst ein Produkt ihrer Stellung im Gesundheitssystem, die allein über eine Akademisierung nicht grundlegend verändert werden kann. Vor allem nicht in dem Tempo, das nötig wäre, um die Pflegekrise abzuwenden.

Die Beschäftigten in der Pflege, angefangen bei Auszubildenden, über Hilfskräfte, akademisch ausgebildete Fachkräfte bis hin zu Pflegewissenschaftler*innen, versuchen schon lange, ihre große Professionalität und Fachkompetenz, die anspruchsvolle Ausbildung und die hohen Arbeitsbelastungen bei der Wahrnehmung und Entlohnung ihrer Berufsgruppen herauszustellen. Sie wollen das Image wegbewegen von den aufopferungsvollen Held*innen, die vom Wunsch angetrieben werden, anderen zu helfen, hin zu einer anspruchsvollen Profession mit Karrieremöglichkeiten. In Deutschland werden jedoch hochspezialisierte Pflegefachkräfte noch immer vor allem als Angehörige eines »Helferberufs« betrachtet, nicht als eines eigenständigen Gesundheitsberufs, der wie beispielsweise auch Physiotherapeut*innen ein eigenes Wirkungsfeld hat. »Eine gute Gesundheitsversorgung geht nicht ohne Pflege«, sagt die Pflegewissenschaftlerin Martina Hasseler. In Deutschland werde nicht gesehen, dass die ärztliche Versorgung nur ein Teil davon sei und das Präventionspotenzial der Pflege bei Weitem nicht ausgeschöpft werde. Deutschland gibt pro Bürger*in jährlich 3996 Euro für Gesundheit aus und damit rund 40 Prozent mehr als die anderen EU-Länder im Schnitt. Bei der Lebenserwartung landen die Deutschen in Europa jedoch nur auf Platz 18. Könnte es daran liegen, dass das Geld falsch verteilt wird?

Die Gesundheitspolitik blende aus, welchen Unterschied eine professionelle Pflege für die Gesundheitsversorgung ausmache, sagt Martina Hasseler. Eine Arztzentrierung des Gesundheitssystems nennt man das, die sich unter anderem in der sogenannten Überversorgung mit nicht notwendigen Operationen zeigt oder auch daran, dass es erst Schlagzeilen machte, dass für die angeblich freien Intensivbetten zur Versorgung von Covid-19-Patient*innen das Pflegepersonal fehle, als Ärzt*innen darauf hinwiesen. Martina Hasseler glaubt daher, dass es unter anderem Empowerment-Konzepte für die Beschäftigten selbst brauche, damit der Berufsstand sich »in die mächtigen Strukturen der Entscheidungsfindung« einbringen kann, in der Öffentlichkeit mehr Gehör findet und über die berufliche Selbstverwaltung politisch Einfluss nehmen kann auf Ausbildungsstandards und Arbeitsbedingungen, die in der Pflege nicht nur den Fachkräften, sondern jeder pflegebedürftigen Person zugute kommen.

Zudem braucht es den politischen Willen, den Pflegefachberufen mehr Macht zuzugestehen und ihre Fachlichkeit umfänglich anzuerkennen. Genau das klappt jedoch nicht einmal bei politischen Kampagnen, die junge Menschen für Pflegeberufe interessieren sollen. Das Bundesfamilienministerium erntete für die im Oktober gelaunchte Comedy-Webserie »Ehrenpflegas« eine digitale Protestwelle, eine Petition zur Einstellung der Serie und eine Distanzierung seitens des Pflege-Berufsverbands, da dieser »Selbstverständnis, Ethos und Pflegefachlichkeit der Berufsgruppe« durch die Serie verletzt sah. Denn die Serie stilisierte die Berufsausbildung als Auffangbecken für Menschen, die in anderen Berufen gescheitert sind, und zeigte einen herabwürdigenden Umgang der Pfleger*innen mit pflegebedürftigen Senior*innen. Ausbilder*innen und Pflegefachkräfte glauben hingegen, dass man andere für den Beruf begeistern könnte, indem man herausstellt, wie schwierig und vielseitig er ist. Ein medizinischer Fachberuf eben, in dem man auch Empathie brauche, aber vor allem viel Wissen, Erfahrung und Professionalität.

Sobald man die Pflegeberufe auf diese Art begreift, schämt man sich beim Gedanken daran, dass jeder Mensch Menschen pflegen kann, in Grund und Boden. Man versteht dann auch, warum selbst doppelt so hohe Gehälter den Pflexit vieler Pflegekräfte nicht vermeiden würden. 700.000 Euro soll die Youtube-Serie gekostet haben, die nur ein Teil der PR-Offensive ist, um junge Menschen für die Ausbildung zu interessieren. Vielleicht ist es auch so: Berufe mit guten Arbeitsbedingungen brauchen keine Image-Kampagnen. Für Berufe, in denen die Bedingungen so sind wie aktuell in der Pflege, helfen nicht einmal gut gemachte Kampagnen.